Eigentlich weiß ich gar nicht, was ich heute hier so
schreiben soll, aber irgendwie ist ja mal wieder Zeit, dass meine gierige
Leserschaft wieder was zu beißen bekommt, hahah.
Während in Deutschland wohl alle ihren Alkoholrausch ausgelebt
haben und BRAUNSCHWEIG GEGEN ÄHHH den WÖLFICLUB gewonnen hat, haben Margaretha
und ich am Wochenende die Sophie und die Sarah in Thanjavur besucht. Wir sind
mit dem Zug gefahren und wenn man sich jetzt dieses Bild vorstellt, wo alle auf
dem Dach sitzen und die Abteile so überfüllt sind, dass man eigentlich gar
nicht mehr atmen kann, weil man nur 2 Quadratzentimeter zum Überleben besitzt,
dann muss ich alle leider enttäuschen, denn wir sind sehr komfortable gereist.
Irgendwie wirklich komfortabel, denn wir hatten jeder so eine ganze Bank, auf
der wir uns quasi schlafen legen konnten. Trotzdem hoffe ich, dass wir
irgendwann nochmal so eine richtige Zug – Survival – Situation haben werden.
In Thanjavur angekommen wurden wir auch gleich abgeholt und
sind dann zum neuen indischen Zuhause von Sophie und Sarah gegangen. Die beiden
wohnen im Bethesta Deaconess Home for Women und kümmern sich dort um ältere,
behinderte oder benachteiligte Frauen. Sie haben uns auch dort zu ihrer
Arbeitsstelle mitgenommen und uns den Menschen dort vorgestellt. Ein junges
Mädchen ist mir dort sehr im Gedächtnis geblieben, denn sie hat sich selbst
angezündet und ihre ganze Haut war verbrannt. Trotzdem war sie total glücklich,
als wir dort hingekommen sind und mit ihr gesprochen haben. Gut, dass es solche
Einrichtungen auch in Indien gibt.
Thanjavur eignet sich ganz hervorragend zum Shoppen und
diese Möglichkeit wurde gleich danach ausgenutzt. Ich habe ein wunderschönes
Kleidchen gefunden: Ein sattes Türkis, umrandet durch rosafarbene Akzente und
vollendet durch eine schwarz silberne Blumenborte. Ohja, in Deutschland würde
ich niemals auf die Idee kommen solche Klamotten zu kaufen, aber hier finde ich
sie einfach schön, je mehr Blümchen und Rosa darauf zu finden sind, von Glitzer
ganz zu schweigen. Ich habe mir auch noch ein Tagebuch gekauft und schreibe
jetzt fleißig. Noch nicht mal früher habe ich so viel geschrieben, allerdings
passiert hier auch so viel und wirklich jeder Tag ist irgendwie anders.
Zum Beispiel gestern Morgen, als wir vom Kindergarten nach
Hause gefahren sind, mit dem Bus, der mir irgendwie ein ganz neues Lebensgefühl
vermittelt, musste er einen kleinen Umweg fahren. Grund dafür sind die so engen
Straßen, sodass nicht zwei Busse aneinander vorbei fahren können. Zumindest
wenn man sich in einem Dorf befindet. Auf freier Straße hingegen passen IMMER
zwei nebeneinander, auch wenn sich neben dem Weg, der eigentlich genauso breit
ist wie im Dorf, ein kleiner Graben mit Fluss befindet. Angst, dass der Bus bei
der Schieflage durch den Graben umfällt, haben aber trotzdem irgendwie nur M.
und ich.
Wie dem auch sei, unser Bus musste halt wirklich woanders
lang fahren und kam dann, nach bereits sehr brenzligen Situationen aufgrund
einer Brücke an eine Straßenecke, die für uns schon sehr eng aussah. Wie sich
herausstellte war sie das auch und der Busfahrer mühte sich bestimmt
geschlagene 30 Minuten ab, den Bus um die Kurve zu kriegen. Dabei harkte sich
leider das Fenster, also da wo das Fenster eigentlich sein müsste, denn eine
Glasscheibe gibt es an den Seiten einfach nicht, an dem Dach des Hauses an der
Ecke ein und der Bus riss unglücklicherweise ein Stück der Dachziegeln mit.
Nun, der Mann, dem das Haus gehört fand das nicht so witzig und schrie dafür
ziemlich rum. Spätestens als der Busfahrer dann den Motor ausmachte, wussten
wir, dass wir uns irgendwas neues suchen mussten, um nach Hause zu kommen.
Handy hatten wir nicht mit, konnte ja keiner ahnen, dass dieses Haus da an der
Ecke steht und den Bus hindert weiterzufahren. Uns haben dann zwei muslimische
Frauen mitgenommen zur Main Road und dort haben wir auf den nächsten Bus
gewartet. Der kam dann auch, war aber hoffnungslos überfüllt und mir ist klar
geworden: Ich möchte doch keine Zug – Survival – Situation haben.
Mit dem Zug fahren ist das auch so eine Sache gewesen, denn
wir sind stark davon ausgegangen, dass wir, wenn wir nicht den Express nehmen,
ungefähr drei Stunden von Thanjavur bis nach Mayiladuthurai brauchen. Als dann
der Zug nach zwei Stunden gehalten hat, einfach nicht weiter fahren wollte und
alle Menschen schon ausgestiegen waren, wurden wir schon etwas nervös. Wir
haben dann den Schaffner gefragt, bzw. die ganze Zeit „Mayiladuthurai“ gesagt
und auf den Zug gezeigt. Er nickte immer wieder, aber als wir uns hinsetzten
wollten, schüttelte er den Kopf. Naja, dann sind wir erst einmal ausgestiegen
und hatten diesmal wirklich etwas Angst nicht nach Hause zu kommen. Wir haben dann
aber den Lockführer getroffen haben, der uns irgendwie vermitteln konnte, dass
wir bereits in Mayiladuthurai sind. Glück muss man haben, liebe Kinder, dass
unsere Heimatcity auch die Endstation war, sonst wären wir locker noch eine
Stunde weiter gefahren und das wäre nun wirklich sehr schade gewesen.
Ich habe übrigens den ersten Inder getroffen, den ich mit
nach Hause nehmen will. Er ist nicht 3 Jahre, auch nicht 23 heheh, sonder erst
15 und ich habe große Schwester – Gefühle bei ihm entwickelt, ganz ganz doll.
Er heißt Trevi und ich habe mir überlegt, dass er ja bei meinem Bruder
einziehen könnte. Na Joni, was hältst du davon? Der ist echt cool drauf und ihr
würdet euch bestimmt verstehen, sobald du Tamil sprechen kannst oder er
Englisch.
Um ein Kapitel über männliche Wesen im wirklich
interessanten Alter zu schreiben, fehlt mir leider der Stoff, denn in Indien
hat man einfach kein Kontakt zu dem anderen Geschlecht - außer natürlich man hat vor, oder besser
gesagt deine Eltern haben vor, dich mit dem Mann zu verheiratet. Das hat mein
bereits bekannter Arzt auch schon angedeutet. Er hat mich gefragt ob mir Indien
gefällt und als Antwort auf mein Nicken, kam dann nur: Gut, dann kannst du ja
einen Inder heiraten und dann hier herziehen. Er könnte auch gleich ein paar
Kandidaten anrufen. Nun, das geht mir dann vielleicht doch etwas zu schnell.
Doch diese strickte Trennung zwischen Frau und Mann erkennt man auch im Alltag.
Zum Beispiel im Bus sitzt NIE ein junges Mädchen neben einem Typen. Bevor das
passiert steht sie lieber oder eine ältere Frau tauscht mit ihr den Platz. Beim
Arzt heute, ich weiß, man könnte meinen ich sei ständig da, war zwischen mir
und dem Mann ein Platz frei und Rina, meine neue indische Lieblingsfreundin hat
sich dann lieber auf die Treppenstufe gesetzt, als auf die Bank neben mir, bzw.
ihm.
So kann man meine Gespräche mit den männlichen Vertretern
Indiens quasi an einer Hand abzählen oder schlichtweg sagen es gab keine, denn
die einzigen Kontakte waren beispielsweise mit dem Busfahrer (ungefähr 25), als
ich gesagt habe, wie gut seine Musik ist. Da hat er mir aber ein sattes Lächeln
geschenkt, hehe. Dann nochmal, sehr ähnlich, als ein anderer Busfahrer sein
Mobil zwischen einem dummen Graben und dem anderen Bus durchmanövriert hat. Da habe
ich zu Ushar, meiner neuen indischen Mami gesagt, „good busdriver“ und als sie
das weitergeben hat, hat er sich sehr gefreut. Seitdem werde ich von ihm immer
angelächelt, wenn er unseren Bus fährt. Einmal wurden M. und ich auch von einem
Typen mit seinem Roller zur Bushaltestelle gebracht. Er wollte mir auch seine
Handynummer geben, aber ich hatte da leider keins mit. Dum Dum duuuuum. Das ist
echt ein Punkt, den man Null mit Deutschland vergleichen kann.
Meine Gesundheit hat sich durch die 434023402 Tabletten
wirklich verbessert, trotzdem hat mir mein Arzt erneut 343240 andere Tabletten
aufgeschrieben gehabt und gesagt, ich solle heute nochmal wiederkommen. Er hat
außerdem nach einem Foto von mir gefragt und das habe ich ihm heute auch
gegeben. Eins von meinen wunderschönen Passbildern, auf denen ich halt ernst
gucke, wie man das auf Passbildern so macht. In Indien allerdings ganz normal,
denn auf Fotos gucken hier alle so. Er mochte es auch irgendwie, hoffe ich
zumindest. Heute habe ich auch seine Familie kennengelernt. Jaja, obwohl
draußen seine Patienten warten, hat er mir erstmal einen Kaffee und Kekse
gebracht, bzw. von seiner Frau bringen lassen. Dann hat er mir noch seine
Tochter und deren Tochter vorgestellt und mir Bilder von seinen Söhnen gezeigt
– die beiden schon verheiratet sind. Sein Haus, das erste Haus in dem ich hier bis
jetzt wirklich war, war sehr indisch. Überall stand etwas rum und am besten war
die Wäscheleine mitten durchs Haus auf der ein Handtuch mit einem Delphin hing.
Am 16. hat er mich übrigens zum Essen eingeladen. Ich werde wohl M. mitnehmen,
sie weiß zwar noch nichts davon, aber alleine traue ich mich nicht.
Hier hat es heute angefangen zu regnen, das ist echt ein
Genuss. Es hat sich etwas abgekühlt, aber es ist immer noch angenehm warm.
Ich habe auch meine erste größere Anschaffung gekauft:
Fußkettchen. Das ist hier quasi ein Muss und ich liebe sie auch total. Die sind
sogar mit kleinen Glöckchen und es klingelt jetzt immer, wenn ich gehe. Hört
sich vielleicht nervig an, aber hier tragen es fast alle. Rina meinte zu mir, „now your are a real Indian
girl“. Das fand ich richtig süß und es stimmt auch ein bisschen. Langsam
habe ich das Gefühl, dass ich hier zuhause bin und wir fühlen uns in die
Gemeinschaft vom Compound wirklich aufgenommen. Trotzdem ist es mir etwas
unangenehm vor den Frauen hier über die Ketten zu sprechen, besonders wenn sie
mich nach dem Preis fragen. Ich habe 3500 Rupies dafür bezahlt (Runtergehandelt
von 4000!), das sind ungefähr 40 Euro – halt echtes Silber und hier eine Menge
Geld. Rina verdient beispielsweise nur 700 Rupies im Monat. Mit diesem
Einkommen könnte sie in Deutschland gar nicht leben! Allerdings trägt sie auch
Silberkettchen um die Füße, man kauft sie sich wohl einfach einmal.
Im nächsten Eintrag werde ich dann wahrscheinlich den
Rundbrief an meine Förderer veröffentlichen, zumindest Teile davon. Dann kann
man mal lesen, was ich hier eigentlich wirklich den ganzen Tag mache und was
eigentlich meine richtigen Aufgaben sind.
Ich bin von Deinen Stories begeistert
AntwortenLöschen